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Polizeikommissarin Alexandra Borges bei der Policia Nacional in Alicante
Auf Streife am Strand von Alicante
Erfahrungsbericht von Polizeikommissarin Alexandra Borges über ihre 15-tägige Verwendung bei der Policia Nacional in Alicante im Rahmen des Programms „Programm Europäische Kommissariate 2022, Spanien“ im Juni und Juli 2022.
Polizei Wesel
Planung und Organisation

In meinem vierten Jahr bei der Polizei bot sich für mich zum ersten Mal die Gelegenheit, mich für eine Auslandsverwendung in Spanien zu bewerben. Während meines Abschlusspraktikums im Sommer 2018 konnte ich bereits als Kommissaranwärterin nach Madrid fliegen, um dort die Policia Nacional für knapp vier Wochen auf diversen Dienststellen zu begleiten. Aufgrund dieser bereits sehr positiven Erfahrung bewarb ich mich nun zum ersten Mal als Polizeikommissarin für das Programm „Europäische Kommissariate“ und hatte das Glück, in diesem Jahr direkt teilnehmen zu dürfen.

Nach einer großen Infoveranstaltung des Innenministeriums NRW, bei der unter anderem einige spanische Diplomaten der Botschaft in Berlin anwesend waren, bekam ich nach kurzer Zeit eine feste Zusage für das Programm und den Aufenthalt in Alicante. Als „Neuzugang“ waren mir einige organisatorische Aufgaben wie das Anmelden einer Dienstpistole bei der Airline oder das Kalkulieren der mitzubringenden Menge Uniform noch nicht bekannt. Mit der Hilfe der Kolleginnen und Kollegen des Referat 425, die sich bereits seit Jahren um die Koordination und Realisation der Auslandsaufenthalte kümmern, ließen sich jedoch alle Fragen und Unsicherheiten schnell aus dem Weg räumen.

Reise und Aufenthalt

Der Tag der Hinreise rückte viel zu schnell und doch viel zu langsam näher. Zwar konnte ich es kaum abwarten, mich dieser neuen Herausforderung zu stellen, aber die Sorge um den reibungslosen Ablauf der Reise und des Aufenthalts bestand dennoch. Trotz einiger besorgniserregender Nachrichten der Vortage über enorme Anstürme von Reisenden auf den Düsseldorfer Flughafen verlief sowohl der Check-In, als auch die Abgabe der Dienstwaffe reibungslos. Es zeigte sich allerdings, dass die Mitarbeiter am Flughafen noch viel aufgeregter waren als ich; zumindest was das Einchecken einer Schusswaffe betraf. Eine kurze, aber nichtsdestotrotz amüsante Unterhaltung mit den Mitarbeitern am Sondergepäcksschalter (anscheinend war meine Dienstpistole im Gegensatz zu den sonstigen, dort abgegebenen, Schusswaffen verhältnismäßig klein) und einen prüfenden Blick eines Kollegen der Bundespolizei später, konnte ich beruhigt und von jeglichem Gepäck befreit durch die Sicherheitskontrolle zu meinem Gate gehen.

In Alicante landete ich schließlich am frühen Abend und wurde bereits am Gepäckband von einem Kollegen der Policia Nacional auf Englisch angesprochen. Wie sich herausstellte, hatte niemand damit gerechnet, dass meine Sprachkenntnisse über einen alltäglichen Wortschatz hinausgehen würden und hatte zu diesem Zweck den Kollegen mit den besten Englischkenntnissen dazu auserkoren, die deutsche Kollegin vom Flughafen abzuholen. Die Ankunft verlief ebenso reibungslos wie der Abflug. Sowohl mein Gepäck, als auch meine Dienstwaffe und Munition waren in tadellosem Zustand angekommen und wurden mir durch die Guardia Civil übergeben. Während der kurzen Autofahrt vom Flughafen zum Hotel informierte mich mein Kollege über den Ablauf der nächsten Tage und beantwortete einige erste Fragen. Im Hotel klopfte es noch am selben Abend an meiner Zimmertür. Begrüßt wurde ich mit großem Hallo, denn vor mir stand ein Kollege der Police Nationale aus Frankreich, der ebenso wie ich die nächsten fünfzehn Tage am Programm „Europäische Kommissariate“
teilnehmen würde.

Der erste Arbeitstag bestand aus einer offiziellen Begrüßung durch den Comisario (vergleichbar mit einem LPD) und einer Führung durch alle Direktionen der Comisaría Provincial (etwa wie ein Polizeipräsidium). Abgesehen vom Präsidium gibt es in Alicante zwei Wachen mit jeweils ca. 40 Beamtinnen und Beamten für den Wach- und Wechseldienst; die Comisaría Centro sowie die Comisaría Norte. In der ersten Woche durften wir die Kolleginnen und Kollegen der Comisaría del Centro (in Früh-, Spät- und Nachtdiensten) begleiten. Den Gesprächen mit den spanischen Kollegen zu entnehmen, häufen sich dort hauptsächlich Einsätze mit alkoholisierten Jugendlichen in den Abend- und Nachtstunden sowie Eigentumsdelikte. Besonders der unmittelbar am Zentrum gelegene Strand wird täglich von zahlreichen Touristen aufgesucht, welche während des Badens im Meer geschickten Taschendieben zum Opfer fallen. Zur Prävention dessen patrouillierten wir mehrfach im Tagesdienst gut sichtbar und uniformiert an der Strandpromenade entlang, um sowohl etwaige Delinquenten abzuschrecken, als auch das generelle Sicherheitsgefühl der Bevölkerung und der Touristen zu stärken.

Nicht selten wurden wir dabei von Deutschen und Franzosen angesprochen und zum Grund unserer Anwesenheit befragt. Die Reaktionen auf unsere Erklärung, es handele sich um ein internationales Kooperationsprogramm, fielen durchweg positiv aus. Es sei schön, eine vertraute Uniform zu sehen und es vermittle einen ungemein starken Eindruck von europäischem Zusammenhalt, Polizeien verschiedener Nationen Hand in Hand arbeiten zu sehen. Diese Gespräche mit den Touristen bestätigten mich nicht nur in meiner Aufgabe, sondern machten mich auch stolz, Teil eines solchen Projekts sein zu dürfen.

Die Comisaría Norte, bei dem der französische Kollege und ich während der zweiten Woche unterstützen durften, liegt mitten eines stark heruntergekommenen Viertels, welches fast ausschließlich von Cinti und Roma, Algeriern und alteingesessenen Senioren bewohnt wird. Berüchtigt und gefürchtet für sein hohes Maß an Drogen- und Gewaltkriminalität, wird das Viertel von den meisten Alicantinern gemieden. Laut Aussagen der Kolleg*innen hat die Polizei enorme Probleme, zum Beispiel des Schmuggels und Handels mit Betäubungsmitteln (insbesondere Heroin), Herr zu werden. Organisierte Familienclans würden durch ihren Zusammenhalt und Verschwiegenheit die Aufklärung und Bekämpfung von Straftaten durch die Polizei erschweren.

Der französische Kollege und ich hatten das Glück, an einer „Razzia“ teilnehmen zu dürfen. Mit jeweils 10 Polizistinnen und Polizisten in zwei großen, unauffälligen Sprintern ohne Fenster gepfercht, wurden wir unter höchster Geheimhaltung und absolutem Schweigen zur Einsatzörtlichkeit gebracht. Auf einen leisen Befehl des Fahrers wurden zeitgleich die Fahrzeugtüren geöffnet; dann ging es im geduckten Laufschritt hintereinander um zwei Wohngebäude herum. Die Gebäude wurden sofort von mehreren Beamten, zum Teil mit Langwaffen, umstellt und gesichert. Weitere Beamten verschafften sich schnellstmöglich Zutritt zu den betroffenen Wohnungen. Da davon ausgegangen werden musste, dass die Bewohner jegliche Beweismittel bei Bemerken der Polizei sofort vernichten würden, wurden alle Wohnungstüren mittels Rammen gewaltsam geöffnet; in einem Fall kletterten Polizisten über eine Leiter auf einen Balkon im ersten Stock und entglasten dort eine Fensterscheibe. Schlussendlich konnten mehrere Personen vorläufig festgenommen und Heroin aufgefunden werden. Zwar hatte diese Razzia nicht den Erfolg gebracht, den sich die spanischen Kollegen erhofft hatten, jedoch war er für mich jedoch einer der eindrucksvollsten und interessantesten Einsätze während meines Aufenthalts.

Fazit

Im Gespräch mit den spanischen und dem französischen Kollegen stellte sich immer wieder heraus, wie sehr sich Polizeiarbeit im Großen und Ganzen doch ähnelt. Immer wieder kamen wir zu dem Entschluss, man könne Polizeibeamte aller drei Länder jederzeit in eine der anderen Nationen schicken und dort arbeiten lassen. Während meines Aufenthalts war ich immer wieder berührt und dankbar, mit welcher Offenheit und Herzlichkeit ich jeden Tag von den spanischen Kolleginnen und Kollegen in ihre Mitte aufgenommen wurde. Vor allem das Engagement und die Bemühungen durch die Organisatoren dort haben mir eine unvergessliche Erfahrung ermöglicht. Ich musste bereits versprechen, sobald wie möglich zurückzukommen (sowohl dienstlich als auch als Privatperson).

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